Ich bin wütend.

Gründe diesen Blog zu starten gibt es viele. Aber der Auslöser, dass ich ihn wirklich schreibe, ist, dass ich wütend bin. Sehr wütend.

Es gab eine Zeit, da hielt ich deutsche Frauen, inklusive mir selbst, für gleichberechtigt. Feminismus hielt ich für überholt. Ich hätte kaum falscher liegen können. Deutschland gehört nicht nur in der praktischen Umsetzung sondern auch kulturell zu den maskulinsten Ländern der Welt (, sagt Geert Hoofstedte [wenn auch die vermeintlich empirisch-objektive Erfassung von Kultur zumindisch kritisch zu betrachten ist]). Mein Land ist also eines der Länder, in den Männlichkeit und Weiblichkeit als Gegensätze verstanden werden. In denen Männlichkeit mit Macht, Stärke und Härte, Weiblichkeit mit Sensibilität, Weichheit und Nachgiebigkeit assoziiert werden und auch darauf beschränkt sind.

In einer solchen Gesellschaft bin ich groß geworden, noch dazu  in einem saarländischen Dorf, in dem das Ziel der weiblichen Lebensplanung in Haus, Hund Kind und Mann, der das Geld verdient, bestehen soll. Von Feminismus hat man noch nie was gehört. So was gibt’s höchstens in Saarbrücken. (Entschuldige die Polemik, liebe Heimat.)

Wach und wütend wurde ich eigentlich erst in meinem Auslandssemester in Schweden. NEIN, in Schweden ist nicht alles besser und alle Frauen gleichberechigt (dazu an anderer Stelle mehr). Aber zum ersten Mal in meinem Leben beschäftigte ich mich damit, warum wir in Deutschland eigentlich getrennte Damen- und Herrentoiletten brauchen, warum deutsche Kinder nicht das gleiche Anrecht auf einen Vater, wie auf eine Mutter haben und warum deutsche Männer keine Eier haben Elternzeit zu nehmen.

Und je mehr ich mich nun in den letzten zwei Jahren mit dem Thema Sexismus und Feminismus beschäftige, desto wütender werde ich. Sexismus ist überall um uns herum. Wir nehmen ihn schon garnicht mehr war. Abgestumpft. Gleichgültig. Resigniert. Werbung, Beruf oder (heterosexuelle) Beziehung.

Und als ob diese Welt in den letzten hundert Jahren NICHTS gelernt hätte, versucht uns das Privatfernsehen auch immer noch zu vermittelt, alle diese Unterschiede wären ja irgenwie auch biologisch bedingt. So eine sexistische Kackscheisse. Ja es gibt biologische Unterschiede (vorausgesetzt, man geht nicht so weit wie Judith Butler). Aber im Gegensatz  zu den sozial konstruierten Unterschieden sind die verschwindend klein.

Welcher Funke hat das Fass nun zum Überlaufen gebracht? In meinem aktuellen Praktikum muss ich viele Kontakte ermitteln. Geschäftsführer, Verkaufsleiter, Exportchefs. Nein, ich habe nicht vergessen diese Substantive geschlechtsneutral dazustellen. Es gibt in diesen hunderten von Firmen, die ich durcharbeite und unter denen sich einige der größten Unternehmen Deutschlands und Schwedens befinden, keine Frauen in leitenden Positionen. Hier und da verirrt sich höchstens mal eine in die Marketingabteilung. Die Vorstände bestehen aus alten, grauen Männer. Noch und nöcher. Ich kann sie nicht mehr sehen!  Unsere Wirtschaft, unsere Politik und große Teile unserer Kultur werden von alten, grauen Männern dominiert. Und es gibt keinen legitimen Grund das zu rechtfertigen. Unsere Welt wir nicht nur von Männern bevölkert. Alle Menschen müssen zu gleichen Teilen repräsentiert werden. In allen Positionen.

This is 2012.

2 Gedanken zu „Ich bin wütend.

  1. „Keine Eier“

    Soso… Damit willst du sicherlich sagen das diese Männer keine „richtigen“ Männer sind, denn sie haben ja (im übertragenen Sinne) keine Hoden. Findest du das nicht ein kleines bisschen sexistisch? Wieso sind Hoden für dich das zentrale Element von Männlichkeit?

    Zu mal diese Männer doch wohl frei sind diese Wahl zu treffen. Jeder Mann sollte diese sehr persönliche Entscheidung selbst treffen und er hat sich dafür nur gegenüber seiner Familie zu rechtfertigen. Genau das gleiche gilt übrigens für Frauen. Welches Recht hast du diesen Menschen ihre Männlich- oder Weiblichkeit abzusprechen?

    • Hallo Chaedmemories,

      danke für deinen Kommentar. Von cis-männlicher Seite werden Frauen schon seit Jahrhunderten auf Brüste und Hintern oder Körperlichkeiten generell heruntergesetzt, daher nehme ich mir hier durchaus auch die Freiheit Männer auf ihre primären Geschlechtsorgane zu reduzieren. Sexismus ist hier in diesem Rahmen sicher das falsche Wort. Im Postgenderfeminismus bedeutet Sexismus, jemandem stereotype Rollenbilder zuzuweisen oder sie zu erwarten. Ich rede hier vom genauen Gegenteil und fordere Männer auf, aus ihren veralteten Männlichkeitsbildern herauszutreten.

      Zum zweiten Punkt möchte ich dir deutlich wiedersprechen: Männer wie Frauen sind in unserer Gesellschaft durch strukturelle Diskriminierung auf beiden Seiten mit Sicherheit nicht frei in Ihren Entscheidungen zur Kindererziehung. Männern wird es beispielsweise oft vom Arbeitgeber schwer gemacht Elternzeit zu nehmen. Außerdem erlaubt das Gender Mann* diese Abweichung oft nicht – Kindererziehung wird in vielen Kreisen nach wie vor als Frauensache angesehen und Männer, die Elternzeit nehmen als „unnmännlich“. Von der strukturellen Diskriminierung von Müttern fange ich an dieser Stelle erst garnicht an.
      Ich verstehe leider nicht, inwiefern ich jemandem hier seine Männlichkeit- oder Weiblichkeit abspreche. Für mich persönlich sind das keine wichtigen Bezugspunkte meiner Identität, das stimmt, aber was ich tue ist die Menschen aufzufordern ihre Rollenbilder für beide Gender zu überdenken.

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