Let’s talk about contraception, Baby!

Warum zehn Jahre hormonelle Verhütung für mich (!) genug sind.

Quelle: flickr.com/nerdycreative

Eines vorneweg: Es geht mir hier nicht darum, irgendjemandem die Einnahme der Pille verbieten zu wollen. Es geht darum, dass jeder Mensch die Wahlfreiheit haben sollte, ob er die Risiken hormoneller Verhütung in Kauf nehmen möchte oder nicht.

Wie so oft fing alles mit einer WG-Debatte an. „Weißt du eigentlich, was du deinem Körper damit antust?“, warf mir meine griechische Mitbewohnerin eines Abends in der Küche an den Kopf. Gerade hatte ich erzählt, dass ich nun im zehnten Jahr die Anti-Baby-Pille nehme bzw. hormonell verhüte. Im Verlaufe des Gesprächs realisierte ich, auf was sie mich eigentlich aufmerksam machen wollte. Die hierzulande und auch in den skandinavischen Ländern so gängige Routine, Mädchen ab der ersten Periode die Pille zu verschreiben existiert in vielen anderen Ländern so nicht. In Griechenland, so berichtete meine Mitbewohnerin, seien Zyklusbeobachtung oder die Verwendung von Kondomen bei Heterokontakten wesentlich gängiger, die Pille würde nur bei zusätzlichen medizinischen Indikationen verschrieben. Ob ihre Schilderung sich nun empirischen belegen lässt oder nicht unser leichtfertiger Umgang mit diesem Medikament erscheint mir auch heute, ein Jahr nach diesem Gespräch, mehr als fragwürdig.

Ja, ich bin medizinische Laiin. Trotzdem maße ich mir an, in Frage zu stellen, warum der erste Gynäkologenbesuch bei den meisten Menschen (Quelle: Freundeskreis) zwangsläufig mit einem Pillenrezept enden muss. Damit die Pickel verschwinden. Damit der Zyklus regelmäßiger wird. Damit die Regelschmerzen besser werden. Nicht, dass das in der Pubertät normale Phänomene wären.  Gerade weil die Pille für uns (=in Deutschland aufgewachsene Menschen) vollkommen zur Normalität gehört, vergessen wir oft, dass wir es hier mit einem ernstzunehmenden Medikament zu tun haben, das einen ernsthaften Eingriff in uns und unseren Körper bedeutet. Und auch die großen Pharmakonzerne tragen natürlich ihren Teil dazu bei, dass kritische Berichterstattung zur Anti-Baby-Pille in Deutschlands Medien kaum abgehandelt wird. So ist hierzulande kaum bekannt:

Zwei der populärsten Pillen weltweit erhöhen das Risiko für Blutgerinnsel mit hoher Wahrscheinlich um das Sechsfache.

Es gibt ernstzunehmende Hinweise darauf, dass alleine in Kanade bisher 23 Frauen an den Folgen der Einnahme dieser Präparate verstorben sind.

Die schwedische Arzneimittelbehörde bittet nach zwei Todesfällen Ärzte die Präparate nicht mehr als erste Pille zu verschreiben.

Und dem (deutschen) Hersteller fällt nichts besseres ein, als zu beteuern, dass man nach wie vor hinter seinen Produkten stehe.

Während Pillenkritik sich im deutschsprachigen Raum hauptsächlich im feministischen Milieu findet, hat sich in Schweden Anfang des Jahres ein kleiner aber feiner medialer Diskurs zum kritischen Umgang mit der Anti-Baby-Pille entwickelt. Ausgelöst wurde die Aktion namens „Nej tack till p-piller som gör oss sjuka“ (Nein danke zu Anti-Baby-Pillen, die uns krank machen) von jungen Aktivistinnen, die vorallem auch auf die alltäglichen Nebenwirkungen der Medikamente aufmerksam machen wollen. Selbst eine Sprecherin der schwedischen Arzneimitelbehöde gab daraufhin im Gespräch zu, dass ein Großteil der hormonell verhütenden Frauen unter schwacher Libido und viele auch unter depressiven Verstimmungen litten (ähnliche Symptome führten ironischerweise zum unmittelbaren Abbruch von klinischen Untersuchungen zur „Pille für den Mann„).

Schauen wir uns die Thematik mal aus einer Genderperspektive an. Verhütung wird in großen Teilen der heterosexuellen deutschen Gesellschaft nach wie vor als Frauen*thema verstanden. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die Pille in Deutschland das gängigste Verhütungsmittel ist. Die Frau* hat (passiv) dafür zu sorgen, dass sie nicht schwanger wird. Die Forschung zur Pille für den Mann* wurde vor zwei Jahren wieder auf Eis gelegt (siehe auch oben) – zumindest in festen, monogamen heterosexuellen Beziehungen bleibt Verhütung vorerst also auch Frauen*sache. Ja, auch Männer* kümmern sich mal darum, dass Kondome verfügbar sind. Die oben genannten Risiken und Nebenwirkungen betreffen aber nicht ihren Körper. Aus einer Gendersicht interessant ist übrigens vor allem, dass eine der häufigsten Nebenwirkungen der Pille eine abgeschwächte Libido ist – das kennt wahrscheinlich jedermensch, der sie schon einmal genommen hat. Darüberhinaus legen verschiedene Studien nahe, dass sie auch zum (zeitweisen) Verlust der Orgasmusfähigkeit führen kann. Trotzdem spricht darüber kaum jemand und diese Art der Nebenwirkung findet, meiner Meinung nach, völlig unzureichende Beachtung. Die Regulierung des sexuellen Verlangens dieser Menschen wird schweigend in Kauf genommen, während sie sich dann im deutschen Fernsehen Witze über „ständige Migräne/Unlust“ anhören müssen. Schlimmer noch. Nimmt man, wie ich, seit seiner frühsten Jugend die Pille kann sich, angenommen die Nebenwirkung tritt auf, auch keine unbeeinflusste Libido herausbilden. Das kommt in einem Land, in dem von Mädchen* nach wie vor sexuelle Zurückhaltung verlangt wird, natürlich auch nicht ungelegen. Ist die Libido also vom ersten Erwachen bis zur letzten Einnahme der Pille quasi hormonell reguliert, bemerken viele Frauen auch garnicht, dass sie eine verminderte sexuelle Lust haben, sie kennen es ja nur so. Und all das wird uns dann in der Packungsbeilage als seltene, weniger gravierende Nebenwirkung verkauft (obwohl medizinische Untersuchungen anderes sagen). Es geht hier also nicht nur um das Risiko für jede einzelne Frau, es geht auch um das System, dass auf heterosexuelle Frauen einen enorm hohen Druck ausübt, die Pille zu nehmen und sich mit den Nebenwirkungen abzufinden, während junge heterosexuelle Männer kein medizinisches Risiko auf sich nehmen müssen.

Wie man sicher ohne große Anstregung aus diesen Zeilen herauslesen kann: Ich habe es satt. Sowas von. Ich habe es satt, dass alle von mir erwarten, die Pille zu nehmen. Ich habe es satt, dass mich meine Ärzte*innen nicht über die Risiken aufklären und nicht fragen, ob ich Risikopatientin bin. Ich habe es satt, dass ich nicht ausreichend über Alternativen aufgeklärt werde. Ich sehe nicht länger ein, warum ich mich und meinen Körper diesen Strapazen weiter aussetzen soll. Für mich ist die Pille keine Befreiung, für mich ist sie eine Pflicht und ein Risiko. Und es gibt andere Wege. Seit über 30 Jahren untersucht die Universität Heidelberg die sogenannte sensiplan Methode. Eine Methode zur Zyklusbeobachtung (Temperatur + Schleim + Muttermund), die richtig angewendet ähnlich sicher wie die Pille ist. Ja, auch diese Methode erfordert das Engagement der Frau. Die „Arbeit“ & Verantwortung kann aber wesentlich besser aufgeteilt werden und medizinische Risiken gibt es quasi keine. Die meisten Gynäkologen verdrehen darauf angesprochen zwar nur die Augen – das kann man zumindest in vielen Foren nachlesen – aber ich werde mich dem Diktat der Pille keinen Zyklus länger beugen. Nein danke, zu Pillen, die uns krank machen!

Was nicht passt, wird passend gemacht. BILD, deutsche Männer und der liebe Haushalt

Ja, das mit der Bildzeitung ist immer so eine Sache. Einerseits muss man sie, als meistverkaufte Tageszeitung in Deutschland ernst nehmen, andererseits will man manchmal aus Selbstschutz garnicht wissen, welche Thesen der breiten Masse da so an die Hand gegeben werden. Auch, dass die Bild kein besonders Frauen-freundliches Blatt ist, ist den meisten wohl hinreichend bekannt.

Aber was sich die Bild (City) heute schon auf der Titelseite leistet zeugt in unmissverständlicher Art und Weise dafür, dass wir es hier nicht nur mit einer (teilweise gefährlich) populistischen Zeitung zu tun haben, sondern auch mit einer Redaktion, die sich die Wahrheit scheinbar anscheinend so auslegt, wie man sie gerne hätte. In großen Lettern ist da zu lesen:

Die Hausarbeitslüge. Alles bleibt an den Frauen hängen? Quatsch! Tatsächlich machen Männer heute fast die Hälfte.

Quelle: Bild/privat

‚Okay,‘ dachte ich mir, ‚vielleicht gibt es eine neue Studie, die nahe legt, dass in Deutschland eine neue Generation Mann heranwächst, die bereit ist, sich gleichermaßen am Haushalt zu beteiligen.‘ Aber nein. Bild bezieht sich hier nicht auf eine wissenschaftliche Studie. Auch nicht auf eine neue, repräsentative Umfrage. Bild bezieht sich auf ein Experiment in einer RTL-Show, das in einer einzigen (!) Familie durchgeführt wurde! Leider kann man sich die Sendung bei RTL momentan nicht anschauen. Die Bild beschreibt den Versuchsaufbau folgendermaßen: „Für die RTL-Sendung „Typisch Mann, typisch Frau“ wurde eine Familie eine Woche lang von einem Kamerateam begleitet, das genau dokumentierte, wer was macht. […] Das Test-Ergebnis nach einer Woche: Alles Unfug! Mandy macht 53 Prozent der Hausarbeit, ihr Mann Nico die restlichen 47.“

Fassen wir mal zusammen: Mit der Beobachtung einer Familie über eine Woche, in der ein Kamerateam anwesend ist, rechtfertigt Bild die Aussage „Tatsächlich machen Männer heute fast die Hälfte.“ Das ist nicht nur einfach eine falsche Aussage. Schaut man sich seriöse Forschung zu diesem Thema an, wird klar, dass dieser Artikel auch ein Schlag ins Gesicht jener 76 Prozent aller Mütter ist, die in einer repräsentativen Studie des rennomierten Institut für Demoskopie Allensbach 2012 angaben „Alles“ oder „das Meiste“ im Haushalt selbst zu machen (was 68 Prozent der Väter bestätigten). Dabei machte es kaum einen Unterschied, ob die Frauen berufstätig waren. Befragt wurden gut 1600 Personen in Deutschland.

Interessanterweise führt Bild in einem Infokasten selbst an, dass Männer in Deutschland beispielsweise nur halb so viel Zeit mit Putzen verbringen, wie Frauen, was zumindest indirekt auf die Ergebnisse der Allensbacher Studie hinweist. Für den Artikel selbst spielen diese oder andere wissenschaftliche Erkenntnisse aber keine Rolle.

Klar muss man immer bedenken, dass auch in wissenschaftlichen Studien subjektives Empfinden und eigene Rollenvorstellungen eine Rolle spielen können. Dennoch: Kein Medium, das sich in Deutschland als „Zeitung“ verkauft, sollte solche pauschalen Behauptungen aufstellen, ohne dafür seriöse Belege zu haben.

Und was ist nun die Botschaft des Artikels? Ich glaube, die Bild-Redakteure wollen den Menschen Deutschland eine Nachricht vermitteln, die sie nur all zu gerne glauben wollen: Wir sind doch längst gleichberechtigt.

Liebe Bild-Redakteure,
nein, das sind wir nicht. Und ich will mir nicht vorstellen, wie viele machistische Männer ihren Frauen diesen Artikel heute Abend triumphierend unter die Nase reiben und sich dabei als Gewinner fühlen. Die Realität ist nach wie vor eine andere und, dass Ihr Blatt diese Realität nicht anerkennen will, ist ein weiteres Armutszeugnis für Bild.

Wenn Blasen platzen.

Blubber

Quelle: ***Karen/flickr.com (Creative Commons License)

Ein Sturz auf den Boden der Tatsachen ist manchmal wie ein Schlag ins Gesicht. Kaum trete ich aus meiner kleinen rosa, politisch-korrekten Geisteswissenschaftlerblase heraus, peitschen mir die „N*gerdebatte“, christliche-fundamentale Homophobie und maskulinistische Wirtschaftswissenschaftler entgegen. Mit Schockeffekt. Nehme ich mich selbst zu ernst oder steckt am Ende mein Studentenleben dahinter?

Es passiert oft, wenn die Öffentlichkeit über Dinge diskutiert, die mir wichtig sind. Sei es die aktuelle Sexismus-Debatte, die vorhergehende Diskussion über Kolonialbegriffe in Kinderbüchern oder die Frage, ob schwule und lesbische Lebensgemeinschaften der Ehe nicht endlich vollkommen gleichgestellt werden sollten. Meine Meinung zu diesen Themen steht seit langer Zeit fest und ich muss sie mit meinem geisteswissenschaftlich-liberalen Freundeskreis auch nicht wirklich kontrovers diskutieren. Trete ich aber aus meiner Komfortzone heraus und schaue mir an, was die breite Öffentlichkeit zu diesen Dingen zu sagen hat, endet das manchmal in einem regelrechten „Schock“. Angehörige der katholischen Kirche geben im von uns bezahlten öffentlich-rechtlichen Fernsehen ihre kruden Thesen zur Homosexualität zum Besten, Helmut Karasek  zeigt uns, wie man „Blaming the Victim“ betreibt und ein Spiegelkolumnist setzt die Bezeichnungen „Berliner“ und „Mohrenkopf“ einfach mal gleich. Mehr als zwei Drittel einer Akademikergruppe finden es okay, dass das N-Wort in Kinderbüchern steht und maskulinistische Wirtschaftswissenschaftler erzählen mir auf der Arbeit, wie schlimm sie von der Frauenquote diskriminiert werden und dass wir einfach härter arbeiten müssten. Warum bin ich von diesen konservativen Weltbildern immerwieder so schockiert und kann mich nicht auf andere Meinungen einlassen?

Es ist nicht so, dass ich in einem super-liberalen Umfeld aufgewachsen bin. Eher im Gegenteil. Auf dem Land im kleinsten Bundesland Deutschlands weht auch 2013 noch ein ähnlich harsch-konservativer Wind, wie als ich dort in den 90ern und 00ern groß wurde. Das wird mir bei jedem Besuch daheim wieder bewusst. Homosexuelle in der Familie werden nach wie vor verschwiegen, Frauen suchen sich im angemessenen Alter einen Mann der Geld verdient und das N-Wort wird ohne Reflexion weitergegeben. Oder aber mein Stiefvater bekommt von einer Bekannten angeboten seine Hemden in Zukunft bei ihr bügeln zu lassen, weil meine Mutter ihn das selbst machen lässt. Eigentlich müsste ich also wissen, welche Bandbreiten an Meinungen es in Deutschlands Peripherie gibt und dass das Herz Vieler weiter rechts schlägt, als mir lieb ist.

In meiner Jugend setzte ich mich damit auch leidenschaftliche gerne auseinander. Also ich dann aber vor nun viereinhalb Jahren anfing zu studieren, musste ich das plötzlich nicht mehr. Die Menschen in meinem Umfeld waren alle politisch ähnlich eingestellt und unter den abstrakten, theoretischen und teilweise aufgeblasenen Theorien, die ich in meinem Fach lern(t)e hat(te) es sowieso noch keine bis zur gesellschaftlichen Umsetzung geschafft. Ein herrliches Gefühl. Nirgendwo mehr anstoßen, Konsens leben. Und vielleicht liegt auch genau hier der Kasus knacktus: Es ist richtig und wichtig, dass wir Vordenker und utopische Ideen brauche, um voranzukommen. Es ist aber auch wichtig, die Menschen da draußen, ihre Lebenswelten und Denkweisen nicht zu vergessen, sondern einzubeziehen. Um es polemisch zuzuspitzen: Was bringt einer Frau*, die 1/3 weniger  verdient als ein Mann in gleicher Position, der Postgenderismus? Was bringt einem Mann* mit Migrationshintergrund, der wegen seines Namens keine Arbeit findet, die tausendste Neudefinition von Vorurteil? Manchmal glaube ich, ich bin schlichtweg nicht mehr gewöhnt mich mit dieser Realität auseinanderzusetzen.

Will ich das endgültige Platzen meiner Blase Mitte diesen Jahres (nach meinem Abschluss) also unbeschadet überstehen, muss ich vielleicht ein Bisschen mehr zum „Landei“ in mir stehen und zulassen, dass man nicht alle Menschen mit Political Correctness und Gutmenschentun überzeugen kann. Ich muss für mich selbst neue, unaufgregte Argumentationsmuster entwickeln. Für die akademische Welt aber, wünsche ich mir Forscher, die auf die Menschen da draußen zugehen. Die Modelle entwickeln, die sich umsetzen lassen und – die uns so alle ein Stück weiterbringen.

Riot Grrls (2): Pink Section. Der frühe Untergrund(?).

Wie in meinem Post über den Musikalischen Männerverein Metal versprochen, stelle ich hier und da einige feministisch angehauchte (Frauen-)Bands vor. Historische und aktuelle, punkige und metallige, junge und alte. Aber vor allem richtig gute.

Ob Pink Section eine solche feministische Band ist, kann ich eigentlich garnicht genau sagen. Über die Band, die lange vor der Riot Grrl Bewegung in San Francisco aktiv war, weiß man eigentlich nur, dass sie von ’79 bis ’80 bestand und eine selbstbetitelte LP veröffentlicht hat. Warum taucht die Band dann an dieser Stelle auf? Zum einen schlichtweg weil, es für die damalige Zeit eher ungewöhnlich war, dass gleich zwei von vier Punk-Bandmitgliedern weiblich waren. Zum anderen, weil zumindest ich manche Textpassagene als herrlich zynisch und kritisch interpretiere.
Und: Was die Carol, Kitty (Gesang, Synthesizer und Schlagzeug), Pontiac und Todd (Gitarre, Bass, Saxophon) von Pink Section da Ende der Siebziger produzierten, klingt für mich stark nach art-punkigen Vorreitern der Grrl Bewegung. Weder der Wave-Einfluss á la B 52’s noch die krachigen Hinterhof-Gitarren sind zu überhören und verschmelzen zu einem fast in Vergessenheit geratenen Gesamtwerk.

Lieblingstextpassage: Francine’s list (Pink Section, 1980)

Push-Up Bras.
Nylons.
Petticoats.
Underwear.
Underpants.
That’s what she uses.
That’s what she likes.
Almost involuntary.

Lieblingssong:

Riot Grrls (1): Sleater Kinney – Die 3rd Wave Ikonen

Wie in meinem Post über den Musikalischen Männerverein Metal versprochen, stelle ich hier und da einige feministisch angehauchte (Frauen-)Bands vor. Historische und aktuelle, punkige und metallige, junge und alte. Aber vor allem richtig gute.

Beim Thema Frauen/Feminismus und Musik kommt man natürlich nicht an der Riot Grrl Bewegung vorbei. Seit den späten Achtzigern zeigt die der westlichen Welt mit einer ganzen Reihe hochklassiger punkbasierter Bands, dass alle musikalischen Sparten – auch der bis dahin sehr männerlastige Rock – Frauen als Bandmitglieder ernstnehmen sollten. Die Riot Grrls zeichnen sich bis heute nicht nur durch frauenlastige Besetzungen sondern auch explizit feministische oder queere Texte aus – und gelten damit auch als kulturelle Mitinitiatorinnen des dritte Welle Feminismus.

Zu den großen Namen der Riot Grrl Bewegung gehören heute sicher Sleater Kinney, eine dreiköpfige Punk-Band aus Olympia, die sich auch wegen ihren offen queeren und feministischen Texten in der Szene einen Ruf machten. Ihre Texte drehten sich nicht selten um Themen wie Vergewaltigung, Gewalt gegen Frauen, weibliches Empowerment und sexuelle Selbstbestimmung. Mit ihren catchigen Melodien und Corin Tuckers herrlich schrill-rauher Stimme schafften sie auch den Sprung in den amerikansichen Mainstream, tourten etwa als Vorband von Pearl Jam, und konnten ihre Botschaft so verbreiten, bevor sie sich 2006 auflösten.

Lieblingstextpassage: Taking Me Home (Call the Doctor, 1996)

„Something is messed up here
Something isn’t right
We’re supposed to be free
I’m supposed to be mine
This part of my body
That you’re pricing now
I’m cutting it off
I’m throwing it out

Not for sale
Not your girl
Not your thing“

Lieblingssong:

Schwedische Sexberatung – hemmungslos offen und politisch korrekt.

Da ich momentan ein Bisschen mit technischen und Zeitproblemen zu kämpfen habe an dieser Stelle in paar Happen aus einem Artikel, den ich für das Skandinavien-Fanzine Nørdhæftii geschrieben habe. Bei Gelegenheit möchte ich das Thema sexuelle Emanzipation/Sexpositivismus auch nochmal expliziter als feministisches Thema aufgreifen – stay tuned!

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”Ist es normal, dass Jungs sich Karotten in den Po schieben?”, so eine Frage würde man in Deutschland wohl kaum bei einem öffentlich-rechtlichem Radiosender erwarten. In Schweden ist das seit rund zwei Jahren Realität. Die Sendung „Ligga med P3“, zu Deutsch „Schlafe mit Programm 3“, ruft junge Schweden dazu auf sich frei zu vögeln.

„Ligga med P3 ist deine Fickbeziehung im Cyberspace“, so beschreiben die Macher ihr Projekt. Vier Mal die Woche zwischen elf und zwölf Uhr am Abend treiben es vier junge Schweden so richtig bunt – im Radio und auf ihrer Webseite. Matilda Berggren, Julia Blomberg, Robert Jacobsson und Nisse Edwall widmen sich offenherzig allen Fragen zum Thema Sex und Beziehungen. […]

Bei „Ligga med P3“ ist nicht nur (fast) alles erlaubt, allen Vorlieben, Fragen und Wünschen wird auch mit großem Respekt und Verständnis begegnet. Selbst bei gesellschaftlich stark vorgeprägten Themen wie der Benutzung von Kondomen maßt man sich nicht an, die moralische Keule zu schwingen. Natürlich ist es gut, sich gegen sexuell übertragbare Krankheiten zu schützen, aber statt immer wieder Kondome zu predigen, greift die Sendung auf, dass deren Gebrauch von vielen Menschen nun mal als unangenehm und unbefriedigend empfunden wird. Stattdessen gibt das Team Tipps, wie man auch ohne Kondom Safer Sex haben kann.

Dann wäre da auch die Frage nach „Sex“ und „Gender“, die in Schweden, im Gegensatz zu Deutschland, schon zum öffentlichen Diskurs dazu gehört. „Sex“ meint hierbei das biologische Geschlecht, das angeboren, und „Gender“ das soziale Geschlecht, das anerzogen wird. „Ligga med P3“ kann als „postgender“ Projekt verstanden werden, es geht also darum, das soziale Geschlecht in Frage zu stellen. „Wer sagt eigentlich, dass Jungs blau und Mädchen rosa tragen müssen?“, „Warum werden Männer, die ein reiches Sexualleben haben als männlich und normal wahrgenommen, Frauen aber als Huren?“, „Warum haben Männer innerhalb ihres Gender so wenig Spielraum und dürfen zum Beispiel nicht weinen?“ Solchen Fragen stellen sich die Macher explizit und enttarnen all diese Aspekte als überholt und sinnentleert. Stattdessen fordern sie ihre Zuhörer und Leser dazu auf, öfters auf das geschlechtsneutrale Pronomen „hen“ zurückzugreifen, (weder „hon“, zu dt. „sie“, noch „han“, zu dt. „er“), das in diesem Jahr in Schweden kontrovers diskutiert wurde – denn eigentlich sollte das ja keine Rolle spielen ob und welches von beiden man ist.

Ein weiterer Aspekt im Bereich Sex und Beziehungen, der in anderen Sendungen oft außen vor bleibt: Die Cis- und Heteronorm, also die Idee, dass nur der normal ist, dessen biologisches und soziales Geschlecht gleich ist und der sich ausschließlich von dem jeweils anderen Geschlecht angezogen fühlt. Bewusst produzieren die Macher der Sendung keine „Spezialausgaben“ für HBTQIA- (Homo-, Bi-, Trans-, Queer-, intersexuelle und asexuelle) Menschen. Viele Themen lassen sich schließlich auch übertragen. So ist etwa der Schwanzlutsch-Guide für alle Menschen gedacht, die davon profitieren können – und wird auch so gestaltet. Es wird eben nicht einfach davon ausgegangen, dass eine Frau mit dieser Praktik einen Mann bespaßt. […]

Julia und Robert, beschreibt euer Projekt ”Ligga med P3” mit eigenen Worten – was macht die Sendung für euch aus?

Julia: In ”Ligga med P3” behandeln wir alles, was mit Sex und Beziehungen zu tun hat. Wir machen Oralsexschulen, sprechen mit Paaren, die BDSM mögen und hinterfragen die Penetrationsnorm (die Idee, dass Sex immer mit Pimmel in Möse sein muss).

Robert: Ich will mit der Sendung alle Menschen erreichen: den 16-jährigen Anton, der noch auf sein erstes Mal wartet, die 26-jährige Kim, die keine Lust mehr auf die Penetrationsnorm hat oder den 35-jährigen Olle, der neugierig auf BDSM ist. „Ligga med P3“ soll für mich gleichzeitig Mainstream und Nische sein. Ich will Sex nicht in schön und hässlich unterscheiden, ich will das ganze sexuelle Buffet zeigen.“Ligga med P3“ soll ernsthaft sein, ein bisschen schwerverdaulich, ein bisschen lustig und sehr analytisch und sexuell aufgeladen. […]

Ihr behandelt auch sehr sensible Fragen zu tabuisierten Themen, wie der Sexualität von Menschen mit Behinderungen oder tabuisierte Praktiken, wie BDSM oder Analsex. Gibt es für die Redaktion denn auch Themen, die Tabu sind?

Julia: Über manche sexuellen Fantasien lässt sich nur sehr schwer reden, vor allem, wenn es um grobe Gewalt und Erniedrigung geht. Wir müssen uns auch an die Regeln des öffentlich-rechtlichen Programmes in Schweden halten und dann kann man natürlich nur schlecht eine erotische Novelle einbringen, in der eine Frau sexuell erniedrigt wird. Trotzdem muss es gleichzeitig okay sein, über prinzipiell alles fantasieren zu können, solange man es nicht in der Wirklichkeit auslebt. Das ist ein schwieriger Grenzgang, den wir so oft wie möglich thematisieren. […]

Der vollständige Artikel ist im Nørdhæftii 2/2012 erschienen, erhältlich in ausgewählten Läden und unter http://noerdhaeftii.com/.

Ich sehe nackte Frauen.

Wer findet den kleinen Unterschied?

Er nennt sich der „Genderfotograf“ („Genusfotografen“). Tomas Gunnarsson referierte am Dienstag in Stockholm bei der Partei „Feministische Initiative“ über die Frage nach Sex und Gender in der Fotografie. Warum benutzt man nackte Frauen* nach wie vor um Produkte aller Art zu verkaufen, welche Aspekte stereotyper Darstellung sind uns vielleicht garnicht bewusst und was sollte man selbst beim Fotografieren bedenken? Seine wichtigsten Gedanken möchte ich kurz zusammenfassen und mit eigenen Einschüben ergänzen.

Wir sind gewöhnt daran, dass Werbebilder oft sexistisch sind. Frauen* bewerben in übertrieben künstlichen Posen halbnackt alles von Anglerzeitschriften bis zu Versicherungsverträgen und das kommt uns dabei oft total normal vor. Wie strange es eigentlich ist, wird uns vielleicht erst bewusst, wenn ein Fotograf Männer* in solchen Posen ablichtet. Der Kern des Problems liegt dabei nicht darin, wie gestellt diese Darstellungen wird. Wenn (wie im Beispiel von Gunnarsson) eine mehrfach ausgezeichnete Chefköchin* in ihrer Küche in einem Abendkleid dabei fotografiert wird, wie sie sich die Füße wäscht, weil man dabei „mehr Bein sieht“, dann ist sie dabei vielleicht noch relativ angezogen. Im gleichen Zug stellt man aber auch ihre Glaubwürdigkeit und Kompetenz in Frage. Man stelle sich einen männlichen* Sternekoch vor, der sich, um „mehr Haut zu zeigen“ in seiner Küche  die Oberschenkel eincremt.

Genau das ist das Hauptproblem von Gender und Fotografie: Männer* und Frauen* werden speziell in der Werbung auf grundverschiedene und klischeehafte Art und Weise dargestellt und dadurch auch beschränkt (ja, die folgende Aufzählung ist verallgemeindernd, aber trifft leider in zu vielen Fällen zu):  Frauen dürfen lächeln, hübsch sein, schweigen und sich eine Hand vor den Mund halten, hinaufschauen und sitzend oder liegend von oben fotografiert werden. Männer* dürfen nur stehen, hard und aktiv sein und in die Kamera starren – und sind auf diese Art und Weise ebensfalls stark eingeschränkt (außer Zack Galafinakis als Badeanzug-Model in der Vanity Fair 😉). Frauen* werden, wie im Titelbild dieses Artikels, inflationär oft nackt abgebildet und schützen sich dann mit ihren Händen, weil weibliche nackte Oberkörper im Gegensatz zu männlichen nackten Oberkörpern nach wie vor mit Scham belegt sind (siehe Femen). Der Genusfotograf argumentierte, diese Aufteilung komme dadurch zu Stande, dass Werbefotografien prinzipiell dem Blick des stereotypen weißen, heterosexuellen Mannes unterworfen seien – Frauen sind in diesem Sinne Hausmütter und Sexobjekte, andere Männer Kumpels, Kollegen oder Konkurrenten. Vielleicht deshalb finden wir auch auf Boardkarten einer großen deutschen Fluggesellschaft noch eine gute alte Welt vor, in der nur Männer* Piloten sein konnten – Frauen* sind doch wie für das Stewardessen-Dasein gemacht!

Interessant im Übrigen auch die Gedanken von Tomas Gunnarsson zu Menschen mit „nicht werbekonformen“ Körpern, die sich selbst fotografieren und diese Bilder zum Self-Empowerment online stellen, wie zuletzt Stella Boonshoft oder die recht bekannte Werbung von Dove. Eines vorweg, es geht hier nicht um Blaming-the-Victim und ich sehe diese Bilder durchaus als Schrit in die richtige Richtung! Aber ein solches Bild verwendet im Endeffekt eine ähnliche Bildsprache, wie gängige Werbebilder – Nacktheit, Lächeln, Passivität. Das Empowerment entsteht in gewisser Weise auch dadurch, dass diese Menschen sich dem Blick des weißen, heterosexuellen Mannes unterwerfen.

Wird sich die aktuelle Situation in Zukunft ändern? Schon jetzt sehen wir, dass die Werbung der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Gleichberechtigung hinterherhinkt. Glaubt man Werbebildern, sind Frauen* quasi ausschließlich damit beschäftigt abzuspülen, Wäsche zu machen und für Kinderriegel-Nachschub zu sorgen. Männer* hingegen scheinen rein biologisch nicht fähig dazu einen Haushalt zu führen und fahren den ganzen Tag Auto. Wollen wir also, dass solche Stereotypen sich ändern, müssen wir die gesellschaftliche Entwicklung weiter voran treiben. Denn, so prognostiziert Gunnarsson, erst wenn sich niemand mehr von diesen Darstellungen angesprochen fühlt, werden sich andere Bilder vekaufen.

Wer selbst als Fotograf_In tätig ist, kann aber im Rahmen seiner Möglichkeiten auch einiges beachten. Der Genderfotograf gibt dafür eine Checkliste. Entscheidungen, die beim Fotografieren bewusst getroffen und durchdacht werden sollten:

  • (Blick)Winkel (z.B. bei Frauen* oft von oben herab)
  • Körpersprache, Posen, Gesten, Haltung (z.B. männlicher* Ausdruck von Stärke, weibliche Hilflosigkeit)
  • Licht (Mystische Männer)
  • Fokus
  • Gesichtsausdruck – Lachen oder nicht? (Frauen* müssen lachen, Männer*dürfen nicht)
  • Umwelt – Wo findet das Shooting statt?
  • Abstand – wie nah gehst du, wie sehr dringst du in die Intimsphäre des anderen ein?
  • Schminke, Kleider, Requisiten (Wer darf was tragen?)
  • Bei mehreren Menschen auf dem Foto –> wer hat welche Rolle?

Prinzipiell sollte man sich immer auch fragen, ob man einen Menschen mit anderem Geschlecht im selben Setting abbilden würde. Und nun an die Arbeit!

PS: Ein Watchblog für sexistische und rassistische Kackscheiße in der Werbung kann auch ein Anfang sein und wird in Kürze mit Hilfe befreundeter Blogger in Produktion gehen.

Musikalischer Männerverein ODER Mehr Mädels in den Metal

Letzte Woche war ich auf einem Heavy Metal Konzert.

Na, schon geschockt? Seit ich vor gut acht Jahren anfing, mich den harten Seiten der Rockmusik zuzuwenden, habe ich viel Unverständnis und kritische Gesichter geerntet. Heavy Metal Fans an sich gehören für viele Menschen ja pauschal zu der Sorte Säuglinge-mordender Satanist, zu den Freaks, den langhaarigen Zottelbärten. Frauen*, die solche Musik hören, sind darüber hinaus ein echtes Mysterium. Wie halten deren zarte Ohrmuscheln diesen verstörenden Lärm überhaupt aus? Während sich, auch durch die Riot Grrls Anfang der 90er Jahre, Frauen* inzwischen in vielen Rock-Genres einen Platz erkämpft haben und als Fans wie Musiker vertreten sind (allerdings vorwiegend am Mikrofon, Keyboard oder Bass), sind Frauen* im Metal immer noch eine Ausnahme. Warum ist das so und warum treten Frauen* wenn, dann in Begleitung ihres boyfriends (die Metalszene ist ja auch eine extrem heterosexuelle) auf?**

Wie viele andere „Männergesellschaften“ schließt die Metalszene Frauen durch einen gewissen Kreislauf der Maskulinität aus, wie ich ihn mal nennen will. Die Metalszene ist in vielerlei Hinsicht von Maskulinitätsidealen und – ritualen bestimmt. Dazu gehört oft Alkoholkonsum unter Männern, der Besuch von Festivals, wo man mal richtig den „Mann“ rauslassen kann etc. Auch die Inhalte der Musik selbst bedienen sich teilweise antiker Hühnen, Wikingern oder anderen Helden, sparen nicht gerade mit Gewaltkonsum und auch nicht mit Frauenfeindlichkeit. Damit können sich viele Mädchen nicht identifizieren, werden kein Teil der Szene, die sich ohne weiblichen Input auch nur langsam liberalisiert usw.

Die reine Präsenz von Frauen reicht andererseits nicht unbedingt aus. Im Bereich des Doom-Metal, eine sehr langsame, dunkle Spielart des Metal, gibt es in den letzten Jahren immer mehr weibliche Bandmitglieder. Doch werden selbige  und auch Frauen* an sich hier oft exotisiert und als kultische Wesen erhöht. Immerhin eine positive Sicht auf Frauen, könnte man denken. Aber Frauen als mythische Wesen darzustellen, die am liebsten nackt Hexenkunst vollführen und sich dann gegenseitig rituell dem Satan opfern macht sie genauso zu Objekten und definiert sie als etwas „Fernes“, etwas „Anderes“. Reine Frauenbands sind im Metal folglich eine echte Rarität, aber vielleicht auch ein Weg Inhalte von Metalmusik zu beeinflussen. “ Es sind vor allem eigenständige Frauenbands, deren Doom/Sludge, jenseits von Riesenbrüsten und mythischen Überhöhungen existiert. Womöglich weil die Musik von nicht von Männern geschrieben wird“, glauben auch männliche* Experten.

Die zweite Frage, die ich mir stelle: Warum trifft man Metal-Frauen wenn, dann in Begleitung eines oder mehrerer Männer an? Warum sieht man keine Frauengruppen auf Konzerten oder Festivals? Das mag einerseits natürlich an der prozentual geringen Zahl von Frauen in der Metalszene liegen (persönlich würde ich schätzen, dass je nach Konzert zwischen 3 und 4 Männer auf eine Frau kommen) – ich denke da aber auch an ein paar tieferliegende Gründe. Vor einiger Zeit habe ich eine Diplomarbeit gelesen (leider, leider komme ich nicht mehr auf den Titel), die die These aufstellte, dass Frauen in vielen Subkulturen, auch im Metal, vor allem durch männliche Partner musikalisch sozialisiert werden. Statt eigene Netzwerke zu bilden, in denen frau Musik mit Freunden unterschiedlichen Geschlechts austauscht, übernimmt man das Netzwerk des boyfriends, das wiederum oft nur aus Männern besteht. So kenne ich es auch aus eigener Erfahrung. In diesem Männernetzwerk wiederum gilt man oft als „Anhängsel“ des Partners, bekommt keine eigene musikalische Kompetenz zugesprochen.

Und ein weiterer Faktor kommt hinzu. Während Männer*, wohl auch wegen der weiteren Verbreitung von männlichen* Metalern, scheinbar weniger Probleme haben ihre subkulturelle Zugehörigkeit auch nach außen zu zeigen, zeigen sich Metalerinnen im Alltag oft eher dezent. Alleine im letzten Jahr ist es mir drei mal im beruflichen Kontext passiert, dass ich durch reinen Zufall herausfand, dass eine Kollegin oder Chefin einen ähnlichen Musikgeschmack hat. Diese Aussage beinhaltet keinerlei Vorwurf oder Vorschlag zur Kennzeichnungspflicht von Metalfrauen. Aber der Fakt macht es natürlich schwerer Banden zu bilden oder Mitstreiterinnen zu erkennen.

Unser Gender sollte nicht darüber bestimmen, welche Musik wir gut finden oder nicht. Deswegen brauchen wir mutige Frauen, die sich auf allen Ebenen der Szene fest verankern. Wir brauchen Sisterhood und gegenseitige Unterstützung. Deshalb will ich an dieser Stelle in Zukunft auch Musikhinweise geben. Und wir brauchen Menschen, die bereit sind Frauen den Metal bereichern zu lassen.

**Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht, die größtenteils auf Erfahrungen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen beruhen. 2009 gab es in Köln einen Kongress zu „Heavy Metal and Gender“, der unter anderem in der Zeit aufgearbeitet wurde, Literatur findet man darüber hinaus nur spärlich (für weitere Tipps bin ich aber dankbar). Vereinzelt gibt es auch Blogeinträge aus weiblicher* Sicht, die aber meiner Meinung nach manchmal eine Triggerwarnung får Verharmlosung verdienen.

Foto: Flickr/notsogoodphotography(CC 2.5)

Die Hausfrauen*falle… uuargh!

Frauen* nehmt euch zurück! In der kürzlichem vom Institut für Demoskopie Allensbach veröffentlichten „Vorwerk Familienstudie 2012“ (interessant v.a. S.23f) steht es mal wieder schwarz auf weiß: „Noch immer tragen die Mütter die Hauptlast der Familienarbeit. 76 Prozent der Mütter machen nach eigener Aussage „alles“ oder „das meiste“ selbst, und 68 Prozent der Väter bestätigen dies“. Dabei spielt es in dieser Studie keine Rolle, ob die Mutter berufstätig ist, oder nicht. Ergo, wie fuckermothers heute so schön zusammenfasst: „Heterosexuelle Paarbeziehungen führen […] zu höherer Arbeitsbelastung bei Frauen.“ **

Frauen*, die in einer solchen Beziehung leben und vollzeit berufstätig sind arbeiten in diesem Sinne doppelt – daheim und im Beruf. Während frau*, wenn sie von der Arbeit kommt mit der rechten Hand kocht, mit der linken die Wäsche macht, den linken Fuß zum Bodenwischen und den rechten zum Kinderbespaßen benutzt, braucht der gute Mann*, wenn er heim kommt erst mal eine Auszeit. Er hat ja so hart gearbeitet. So könnte man es polemisch auf die Spitze treiben. Nur weil beide Partner arbeiten heißt das noch lange nicht, dass sie gleichberechtigt sind, könnte man kühler resümieren.

Nun könnte man diese Statistik natürlich damit erklären, dass es in Deutschland nach wie vor viele Hausfrauen gibt und sich selbst einfach mal rausnehmen. Als femistischer interessierter Mensch ist man ja schließlich für so etwas sensibel. Das Erschreckende ist aber (und das können sicher einige, wie ich, aus eigener Erfahrung bestätigen): Scheinbar spielt es nicht einmal eine Rolle, ob man ein „moderne[s] Paar in der gebildeten Mittelschicht aus dem urban-akademischen Milieu, die sich den Grundsätzen von Gleichheit und Partnerschaftlichkeit […] verpflichtet haben“ ist. Selbst wenn man bewusst einen Fokus auf die Gleichberechtigung in einer Beziehung hat, selbst wenn (in Deutschland ja noch utopischer Weise) der Mann* Haushalt und Kinder übernimmt, bricht diese Verteilung ein, sobald frau* das Haus betritt, resümiert zumindest Soziologin Cornelia Koppetsch.

In gewisser Weise kann ich das auch für mich selbst bestätigen. Ich bin in einem Haushalt mit einer berufstätigen Mutter aufgewachsen in der jeder in der Familie seine Aufgaben hat. Mein Bruder und mein Stiefvater wurden daran genauso beteiligt, wie ich. Als ich vor nun knapp zwei Jahren vorübergehend mit meinem Liebsten zusammenzog beobachtete ich an mir interessanter Weise ein eher gegensätzliches Verhalten. Statt mich mit ihm immer wieder auseinanderzusetzen begann ich irgendwann einfach seine Sachen wegzuräumen, freiwillig zu kochen, Wäsche zu machen, etc. – einfach weil ich diese Sachen nach meinen Wünschen geregelt haben wollte. Das zeugt von wenig Durchhaltevermögen, einem gewissen Egozentrismus und einer merkwürdigen Einstellung zu Genderfragen und muss deshalb das nächste Mal anders werden.

Wie man das jetzt genau umsetzt ohne dabei in die Hausfrauen-Falle zu tappen, bleibt natürlich die große Frage, wenn man sich dessen doch scheinbar nur so schwer erwehren kann. Einen interessanten und sehr pragmatischen Ansatz dazu findet man in der „chaotischen Welt der Geschlechter“ (Teil1, Teil2). Die Autorin hat mit ihrem Partner alle anfallenden Haushaltsdienste genau katalogisiert und bemessen, wie lange deren Erfüllung andauert. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig abstrakt und abgefahren. Die Idee dahinter ist aber einfach: Wenn alle Dienste vollständig und gleichmäßig aufgeteilt sind, auch solche „grade mal zwischendrin“-Sachen, wie schnell Durchsaugen, kann niemand „aus Versehen“ mehr oder weniger machen.

Ein Ansatz für Paare mit Kindern wurde heute in der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“ vorgestellt. Ich kann, als kinderloser und alleinwohnender Mensch, schlecht beurteilen wie realistisch oder sinvoll das Ganze ist, für mich hört es sich aber nach einer guten Lösung an. Die vorgestellten Ehepartner haben beide eine leitende Funktion inne. Beide haben eine 80% Stelle. Das Prinzip funktioniert folgendermaßen. Je eine Woche arbeitet ein Partner den ganzen Tag, von 9:45 bis 18:45. Dieser Partner ist in der Woche von allen Haushalts- und Kinder“pflichten“ befreit. Der andere Partner arbeitet in dieser Woche nur halbtags, von 9:45 bis 15:00. Er bringt die Kinder in Schule und Kindergarten, versorgt sie nach seinem Dienstschluss und übernimmt den kompletten Haushalt. In der Woche darauf werden Arbeitszeiten und Dienste getauscht. Das Ganze setzt natürlich einige Prämissen vorraus, die in Deutschland nicht überall und für jeden gegeben sind. Da wären zum Beispiel ein flexibler Arbeitgeber und eine Kinderbetreung bis 15 Uhr nachmittags nötig. Und natürlich kann auch hier die Hausfrauen-Falle zuschnappen, wenn man sich nicht an die „Regeln hält“ (wobei uns die Schweden da möglicherweise wirklich einen Schritt voraus sind, da es das Modell „Hausfrau“ dort nie in dem Maße gab, wie in Deutschland und Frauen* traditionell stark im Erwerbsleben vertreten sind).

Was in jedem Fall wirklich wichtig für uns alle ist: Wir müssen uns diese Zahlen und Lösungsansätze immer wieder ins Gedächtnis rufen und, Männer* wie Frauen*, daran arbeiten selbst im persönlichen Rahmen eine faktische Gleichberechtigung und – belastung zu schaffen.

*Gendersterchen: Es geht hier um die sozialen Konstrukte Mann und Frau!

**Im bereits beschrieben „Feministischen Tribunal“ in Stockholm wurde von Transpersonen und Menschen mit homosexueller Orientierung übrigens interessanter Weise berichtet, sie würden in Ihren Beziehungen ähnliche Beobachtungen machen.

(Bewusst) blind? Autostereotypisierung unter Frauen.

Ich weiß, dass dieses Thema ein heißes Eisen ist. Deshalb gleich vorweg. Es geht mir hier nicht darum zu entschuldigen, dass Frauen im Berufsleben benachteiligt sind. Und ich möchte die Schuld auf keinen Fall Frauen selbst zu schieben. Vor allem sind es nach wie vor homogene männliche Netzwerke, Ignoranz, Unwissenheit die dazu führen dass, „[i]n den Vorständen der 200 größten [deutschen] Unternehmen Frauen Ende 2011 mit einem Anteil von drei Prozent nur eine Randerscheinung [waren]“ (Quelle: tagesschau.de).

Nun heißt aber das Gender „Frau“ noch lang nicht, das die Betreffende auch Femistin ist oder sich mit Frauenrechten auseinandersetzt (und umgekehrt, das Gender „Mann“ nicht, dass man es nicht tut). Und so frage ich mich ab und an in Gesprächen auch, ob nicht auch manche Frauen dazu beitragen den Status Quo aufrecht zu erhalten. Das mag nun wiederum für den/die ein oder andere die selbstverständlichste Sache der Welt oder ein richtiger Aufreger sein – für mich, manchmal naiven, Gutmenschen aber einfach immer wieder erstaunlich, wie gut man Fakten, die einen  persönlich betreffen so wegignorieren kann.

Viele kennen die Situation sicherlich. Man unterhält sich mit Menschen, die man eher oberflächlich kennt und irgendwann kommt das Thema Karriere auf. Ich bin dann immer gleich Feuer und Flamme, erzähle von weiblichen Netzwerken, die wir brauchen, warum die Frauenquote eine Übergangslösung ist, wie man Frauenlöhne anheben kann und.. ernte damit völlig unverständige Blicke. In Deutschland sei das doch kein Problem mehr  als Frau Karriere zu machen, man müsste es eben ernsthaft versuchen. Den meisten Frauen sei die Familie nunmal wichtiger. Und man wolle ja eigentlich auch nicht, dass der Mann dann mit dem Kind daheim bleibt. Männer hätten da einfach nicht die nötige Bindung zu dem Kind. Da bleibt mir doch der Kuchen im Halse stecken. Jedem Menschen sollte es frei stehen Karriere zu machen oder nicht, eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen oder eben nicht. Aber sein eigenes Gender durch Stereotypisierung so einzuschränken (=Autostereotypisierung) und Frauen pauschal zu unterstellen, sie wären deswegen nicht in Führungsetagen vertreten, weil sie sich lieber um die Familie kümmern, das macht mich baff. Dass Frauen (ohne eine Rechtfertigung) in der gleichen Position weniger verdienen, dass sie oft nur in „sozialen“ Bereichen vertreten sind, dass sie nicht in Vorstände kommen, dass Kinder das gleiche Recht auf einen Vater, wie auf eine Mutter haben und Väter keine schlechteren Erzieher sind – das ignoriert man einfach mal schön weg und fühlt sich weiter herrlich gleichberechtigt.

Ich möchte keinem Menschen auf der Welt vorschreiben, was er denken soll. Trotzdem stelle ich mir die Frage, wie es dazu kommt, dass Menschen sich nicht für ihre eigenen Interessen einsetzen oder ihre Ungleichbehandlung nicht ein mal wahrnehmen. Es könnte eine Art Schutzmechanismus sein, damit mensch nicht aus seiner Komfortszone heraustreten muss. Es könnte auch daran liegen, dass mensch von dieser Diskriminierung bisher noch nicht betroffen war. Die wichtigste Frage ist aber: Wie machen wir diese Menschen zu unseren Mitstreitern?